Drei Monate Lockdown: Wie Blankeneser Gastronomen der Krise trotzen

Wie geht es den Betreibern der Blankeneser Cafés, Bistros und Restaurants nach den wochenlangen Schließungen? Inwieweit kann das verstärkte Angebot, Speisen und Getränke im außer Haus Service anzubieten, die Umsatzeinbußen mildern? Die Bürgerredakteure Lorena Montealegre, Wolf Achim Wiegand und Sandra-Valeska Bruhns haben sich vor Ort umgehört

Die "Linde" an der Dockenhudener Straße ist seit Anfang November geschlossen © privat
Seit 1. November dürfen in Kneipen, Cafés und Restaurants keine Gäste mehr bewirtet werden. Auch die „Linde“ an der Dockenhudener Straße ist derzeit geschlossen © privat

Seit über drei Monaten dürfen Cafés, Bistros und Restaurants keine Gäste mehr bewirten. Weder im Innenraum noch vor der Tür dürfen Speise und Getränke konsumiert werden, nur Gerichte zur Abholung, mit einem Lieferservice direkt nach Hause gebracht oder „To Go“ dürfen verkauft werden.

Auch wenn viele Stammkunden ihren Gastronomen auch über die vielen Wochen des Lockdowns die Treue halten, lassen sich mit dem Mitnahme-Geschäft die gravierenden Umsatzeinbußen nicht kompensieren. Vor allem, weil die Schließungen zur Eindämmung des Corona-Virus in die umsatzstarke Vorweihnachtszeit fielen.

„Vediamo – wir werden sehen“

Donna Luisa, La Casa del Gelato

Für blankenese.de haben sich die Bürgerredakteure vor Ort umgehört, wie es unseren Gastronomen geht. Und viele kleine Geschichten gehört, die sehr nachdenklich machen. Wir haben von Vermietern erfahren, die trotz des Lockdowns keine Mietminderung anbieten. Von nicht ausbezahlten November-Hilfen. Von der Not vieler Kellnerinnen und Kellner, die nun in Kurzarbeit sind und seit Wochen auf ihr Trinkgeld, das einen wichtigen Bestandteil ihres Einkommens bildet, verzichten müssen. Und von Gastronomen, die auf keine staatliche Hilfe hoffen können, weil sie bereits vor dem Lockdown durch „Coffee to go“ Angebote einen Außerhausverkauf angeboten haben und nun durch das Raster der Hilfsmaßnahmen fallen. Nicht alle, mit denen wir gesprochen haben, möchten hier namentlich zitiert. Umso dankbarer sind wir den Blankeneser Café, Bistro- und Restaurantbetreibern, die uns bei der Recherche für diesen Text geholfen haben.  

„Wenn man nichts tut, darf man sich auch nicht wundern, wenn kein Geld mehr für die Miete da ist“

Antonia Farenholtz „Chez Wilma“

Was ist ihnen allen gemeinsam? Der unerschütterliche Optimismus, dass es nur besser werden kann. Und dass mit Hilfe der vielen treuen Kunden das vertraute Arbeitsleben mit vielen Gästen, Familienfeiern und Events in die lebendige Blankeneser Gastro-Szene zurückkehren wird. Bis dahin zeigen sich die Gastronomen kreativ, suchen neue Wege in der Krise und geben nicht auf.

 In Teil 1 unserer zweiteiligen Serie stellen wir vor, wie die Gastronomen vom „Dal Fabbro“, „Riva“, „La Casa del Gelato“, „Linde“ und „Chez Wilma“ der Krise trotzen.

Wer in der Bahnhofstrasse unterwegs ist, bekommt beim Queren des beliebten italienischen Restaurants „Dal Fabbro“ oft Appetit – so gut riecht es aus der Küche. Das Team von Patron Salvatore Testa hat sich schnell darauf spezialisiert, den vielen Stammgästen komplette Menüs nach Hause zu liefern. „Wir haben uns als neues Konzept unsere Vitrine mit leckeren Gerichten zum Mittagessen sofort zum Mitnehmen ausgedacht und außerdem eine eigene ‚außer Haus‘ Speisekarte entwickelt“, sagt Salvatore Testa. „Zum Glück nehmen nicht nur Stammkunden dieses Angebot an, ich bin allen Blankeneserinnen und Blankenesern sehr dankbar für die Unterstützung! Für das Restaurantteam ist es sehr wichtig den Kontakt mit den Kunden weiterhin zu pflegen. Das hält zusammen und die Stimmung aufrecht!“

Dennoch ist der Umsatz seit dem Lockdown deutlich geringer, derzeit beschäftigt Salvatore Testa nur fünf bis sechs Servicemitarbeiter, normalerweise kalkuliert er mit einem festen Mitarbeiterstamm von 15 Personen. „Vor der Pandemie haben wir in Spitzenzeiten bis zu 25 Mitarbeiter beschäftigt“, sagt Salvatore Testa. „Zum Glück bekommen wir Unterstützung vom Staat, aber für alle im Gastgewerbe, vor allem die Kellner, die auf ihr Trinkgeld verzichten müssen, ist die Lage sehr bedrohlich.“

Melanie und Jafar Ghafoori, Betreiber der legendären „Linde“ an der Dockenhudener Straße, bieten dagegen derzeit keinen Außer- Haus Service an. „Im Moment haben wir aufgrund des Lockdowns geschlossen und hoffen sehr, dass wir bald wieder öffnen können“, sagen sie. „Für alle Gastronomen ist es eine schwierige Zeit, aber wir halten durch und freuen uns auf den Moment, wenn wir wieder unsere Gäste in der Linde begrüßen dürfen.“ Was ihnen das Warten auf ein Ende des Lockdowns ein bisschen erleichtert: Die vielen netten Nachrichten, von Stammgästen, die ihre „Linde“ mit einem frisch gezapften Bier, köstlichen Tapas und Live-Fußball vermissen.

Beim alteingesessenen Eiscafé „La Casa del Gelato“ kann man sich nach der üblichen Weihnachtspause wieder beim Straßenverkauf ein Eis in der Waffel oder im Becher holen, aber auch warme Getränke zum Mitnehmen. „Zum Glück bekommen wir große Unterstützung von unseren Stammkunden“, sagt Donna Luisa, Seniorchefin der Eisdiele. „Durch den geringen Publikumsverkehr verkaufen wir aber viel weniger, es sind deutlich weniger Menschen als sonst draußen, die Kälte kommt noch erschwerend hinzu.“  Nachdem der Familienbetrieb im letzten Jahr eine kleine finanzielle Unterstützung in Form von Soforthilfe bekommen hat, prüft ihr Steuerberater nun, ob weitere finanzielle Hilfen möglich sind. „Die Situation ist schon sehr schwierig“, sagt Donna Luisa. „Einen weiteren Lockdown werden wir nur schwer verkraften können. Vediamo – wir werden sehen.“  

Petra Avenarius betreibt das Bistro Riva und das gleichnamige Einrichtungsgeschät
Konzepte umstellen, das Angebot für einen Mittagstisch zum Mitnehmen ausweiten, den Webshop weiterentwickeln – auch in der Krise lässt sich Gastronomin Petra Avenarius nicht entmutigen © svb

Wer zum Markt geht oder vom Bahnhof Richtung Martiniblock bummelt, kommt an den Angeboten von Petra Avenarius nicht vorbei. Die Gastronomin betreibt zusammen mit ihrem Mann das Bistro „Riva“ und ist wie ihre zahlreichen Kollegen im Ort vom inzwischen dreimonatigen Lockdown hart getroffen. Auch, wenn vor dem Restaurant „to go“ heiße Getränke und kleine Snacks angeboten werden, ist der Umsatz seit Inkrafttreten des Lockdowns für die Gastronomie in Hamburg am 1. November 2020 massiv eingebrochen. „Unsere Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, einzig unsere beiden Auszubildenden arbeiten nach wie vor voll und sind jeden Tag im Dienst“, sagt Petra Avenarius. Ihr Einrichtungs- und Dekorationsgeschäft im Martiniblock hat sie nun in zwei Bereiche unterteilt, der hintere Teil, in dem sie Möbel, Accessoires und Mode dekoriert hat, ist für Kunden geschlossen. Derzeit arbeitet sie mit Hochdruck an der Fertigstellung ihres Onlineshops, damit ihre Kunden nicht nur beim Windowshopping auf neue Einrichtungsideen aufmerksam werden.
 Im vorderen Bereich des Ladengeschäfts verkauft sie nun Weine, lokal produzierten Gin und Olivenöl – Genüsse zum Mitnehmen, die derzeit nicht im stilvoll-gemütlichen „Riva“ konsumiert werden dürfen. „Viel Zuspruch bekommen wir für das kleine Häuschen auf dem Martiniplatz, in dem wir jeden Tag einen anderen vegetarischen oder veganen Mittagstisch anbieten“, sagt Petra Avenarius, die mit diesem Projekt auch einer jungen Frau mit Down-Syndrom ein längeres Praktikum ermöglicht. „Für dieses kleine Büdchen haben wir eine Sondergenehmigung bis zum 20. März, mal sehen, ob es gelingt, dieses Angebot dauerhaft zu etablieren – alle finden, dass es den Platz bereichert.“

Antonia Farenholtz
Antonia Farenholtz vom „Chez Wilma“ freut sich, wenn sich endlich wieder das Zischen der Kaffeemaschine mit dem Geschirrklappern in der Küche und den fröhlichen Stimmen der Cafébesucher mischt © svb

Einen verhaltenen Trend zum gesunden Mittagstisch zum Mitnehmen erkennt auch Antonia Farenholtz, die das kleine Café „Chez Wilma“ an der Ecke Blankeneser Bahnhofstraße/ Godeffroystraße betreibt. „Wir haben Konzept haben wir ein bisschen umgestellt und versuchen nun, vor allem herzhafte Gerichte zum Mitnehmen für die Mittagspause anzubieten. Unsere Pita-Tasche, die man aus der Hand essen kann, kommt bei den Gästen gut an“ sagt sie. „Unsere Stammkunden halten uns nach wie vor die Treue, vor allem unseren guten Kaffee von ‚Elbgold‘ haben wir in den letzten Wochen sehr gut verkauft.“

Doch die Gastronomin, die parallel noch den „Treppenkrämer“ betreibt, kann nicht verhehlen, dass die wochenlange Schließung ihres Cafés an den Nerven und auch an den finanziellen Rücklagen zehrt. „Auch wenn sich ein gutes To-Go Geschäft entwickelt hat, erzielen wir lange nicht den Umsatz, den wir mit dem regulären Betrieb haben, wenn sich die Gäste auch setzen dürfen“, sagt sie. „Das To-Go Geschäft ist stark wetterabhängig und entsprechend schwer zu kalkulieren, die Kosten für Miete, meine festangestellte Mitarbeiterin und Materialien sind aber nahezu unverändert.“

Doch das Café für mehrere Wochen zu schließen und abzuwarten, bis eine reguläre Öffnung wieder möglich ist, kommt für sie nicht in Frage: „Wenn man nichts tut, darf man sich auch nicht wundern, wenn kein Geld mehr für die Miete da ist“, sagt sie. „Jeder, der anpacken kann, sollte etwas tun. Ich freue mich über jeden, der bei uns eine Waffel oder einen Kaffee zum Mitnehmen bestellt – und hoffe sehr, dass die Stühle von ‚Chez Wilma’ bald wieder besetzt sind und Stimmengewirr sich mit dem Zischen der Kaffeemaschine mischt.“

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