Pastorin Melchiors wechselt zur Kirche der Stille

Pastorin Christiane Melchiors zieht es von Blankenese in die Kirche der Stille nach Altona. Sie verlässt nach acht Jahren engagierter pastoraler Tätigkeit die evangelische Gemeinde Blankenese. Geistliche Begleitung auf spirituellen Wegen, Erfahrung von Stille, Jugendliche, die ihren Weg in ein erwachsenes Leben suchen bleiben ihr großes Anliegen, vor allem aber die Seelsorge, die Begegnung mit Menschen. Diese Aufgaben erwarten die Pastorin an ihrer neuen Wirkungsstätte. Vera Klischan hat sich mit ihr über den neuen Wirkungskreis unterhalten.

Wie lange waren Sie in Blankenese? Gibt es ein weinendes Auge zum Abschied?

Wenn ich am 1. Mai an die Kirche der Stille wechsele, dann sind es genau acht Jahre gewesen. Natürlich gibt es ein weinendes Auge. Es ist in diesen Jahren viel Verbundenheit entstanden. Es ist eine bewegte und bewegende Zeit gewesen.

Pastorin Christiane Melchiors ©privat

Was werden Sie am meisten vermissen?

Menschen vor allem, aber auch Möglichkeiten, Räume, Ressourcen , ein tolles Team mit vielen Mitarbeitenden. Aber auch einzelne Formate, wie den wöchentlichen FaGo (Familiengottesdienst) mit dem engagierten Team und den herzerfrischend lebendigen „großen“ Kindern, den Diakon*innen. Dieses tolle Gottesdienstformat habe ich ja vorgefunden und zusammen mit anderen weiterentwickelt. Den FaGo werde ich auf jeden Fall vermissen, diese tiefenentspannte Form Gottesdienste mit einer jungen, bunten, herzlichen Gemeinde zu feiern, begeistert mich noch immer.  Aber überhaupt die Gottesdienste in dieser wunderbaren Kirche, die Kirchenmusik, die GemeindeAkademie, die vielen engagierten Ehrenamtlichen. Ich werde die Kirchenfenster im Altarraum vermissen, die das Licht so wunderbar durch die Kirche tanzen lassen. Es gab für mich viele Möglichkeiten, mich hier einzubringen mit dem, was meins ist. Dafür bin ich dankbar.

Welche besonderen Erinnerungen nehmen Sie mit?

Viele schöne sehr persönlichen Begegnungen mit Menschen. Verkündigung und Seelsorge habe ich immer als Kernaufgaben meines Berufes verstanden und mich entsprechend darum bemüht, mir dafür Räume frei zu halten. Ich empfinde das Vertrauen, das mir entgegen gebracht wurde und wird, als ein großes Privileg und eine Verantwortung. Egal, ob es um eine Hochzeit, die Geburt eines Kindes oder den Verlust eines geliebten Menschen geht oder einfach ein Seelsorgegespräch, in solchen Momenten für Menschen da sein zu können, gehört für mich zum Erfüllendsten dieses Berufes. Dass mir in einem Seniorenheim, in dem ich regelmäßig Andachten gehalten habe, einmal ein Mann gesagt hat : „Danke, dass Sie uns in Ihren Predigten Schwarzbrot zumuten und uns nicht mit niedlichen Geschichten abspeisen!“, das habe ich als ein großes Kompliment gehört und es hat mich sehr gefreut. Ich denke an manche Begegnung, in der es gelungen ist, ein – manchmal auch sehr ungewöhnliches Ritual- so zu gestalten, dass es neue Wege und neues Vertrauen möglich gemacht hat. Das gehört ganz sicher zu meiner Schatzkiste. Das sind aber sehr persönliche Erfahrungen gewesen und das sollen sie auch bleiben.

Es gibt immer wieder berührende Momente in der Begleitung von Menschen. Deswegen mache ich diese Arbeit so gern. Da geht es um etwas.

Welches waren Ihre Hauptaufgaben in der Gemeinde?

Ich bin Pastorin und damit im Grunde „gebucht für alles“! Das gehört zum Charme dieses Berufes, dass er so vielfältig und abwechslungsreich ist und man manchmal erst am Abend weiß, was so alles anlag und wer einem über den Weg gelaufen, welche Begegnung sich ergeben, welche Möglichkeit sich gerade angeboten haben, die man ergreifen musste. In erster Linie geht es um die ganz normalen Aufgaben einer Gemeindepastorin und dazu gehört eben neben dem, was sichtbar ist, wie die Gottesdienste, Andachten, die Amtshandlungen, die Gestaltung besonderer Veranstaltungen viel Hintergrundarbeit, viel Leitungs-  und Planungsarbeit, auch eine Menge Administration, eine Reihe von Sitzungen und Arbeit mit Gruppen. Die Gemeinde Blankenese hat zum Glück sowohl ein großes Team an Mitarbeitenden als auch ganz ganz viele Ehrenamtliche, die sich hier engagieren. Beides ist ein ganz eigenes Feld und braucht auch Zeit und Zuwendung und Begleitung. Ein großes Thema ist für mich der FaGo gewesen und immer wieder auch die Frage, wie es gelingen kann, Kinder und Familien mit den Traditionen unseres Glaubens vertraut zu machen und dann über die reine Tradition hinaus in einen persönlichen Glauben hinein zu begleiten. Kinder sind ja so ehrliche Gottesdienstbesucher*innen, eine gute Schule für jeden Menschen, der predigt, da kommt die Rückmeldung sofort und direkt. Ich mag das. Ich denke gern an die digitalen Formate zurück, die ich sozusagen „gezwungenermaßen“ mit „meiner“ damaligen Vikarin Lisa Fischer in der Coronazeit mitentwickeln durfte. Wir haben beide viel gelernt und hatten in dieser schwierigen Zeit viel Spass am Ausprobieren neuer Formate, die viele erreicht haben. Das war toll. 

Gibt es etwas, das diese Gemeinde auszeichnet oder charakteristisch ist?

Die Menschen! Ihre Expertise, ihre Bereitschaft, sich zu engagieren und einfach viel Kompetenz, auf die man hier in Blankenese zurückgreifen kann. Viele Menschen engagieren sich im Ehrenamt selbstbewusst, sehr eigenständig und kompetent. Für eine gute Idee gibt es eigentlich immer Mitstreiter*innen, das ist toll . Die Bereitschaft, etwas erstmal auszuprobieren zu können, die Offenheit auch für neue Ideen, das zeichnet Blankenese aus. Ein Kirchengemeinderat, der nicht nur das laufende Geschäft organisiert, sondern auch sehr engagiert an dem arbeitet, was kommt, worauf man sich vorbereiten muss. Auch das ist besonders, die Suche nach immer wieder neuen Wegen, neuen Formaten, um Menschen zu erreichen. Die Lage der Kirche mitten im Ort ist natürlich ein ganz großes Pfund –Kirche nahe bei den Menschen, das finde ich nach wie vor sehr attraktiv. Auch, dass diese Kirche fast immer offen ist, zeichnet diese Gemeinde aus. Und dass sie fast immer besucht ist von Menschen, die kurz innehalten, beten, eine Kerze anzünden wollen. Ein Gemeindehaus, das von morgens bis abends vibriert vor Menschen, die hier etwas suchen und finden, sich begegnen und miteinander arbeiten, das gehört zu dieser Gemeinde. Ressourcenreich, sowohl an Menschen als auch an Möglichkeiten, auch finanziellen, das zeichnet diese Gemeinde ganz sicher aus. 

Wohin führt ihr Weg?  Welches wird Ihr neues Aufgabengebiet sein?

Ich gehe in die Kirche der Stille in Altona. Es ist eine große aus drei ehemals selbstständigen Kirchen fusionierte Gemeinde mit inzwischen entwickelten eigenen Profilen an den jeweiligen Standorten. Die Kulturkirche, die Friedenskirche und die Kirche der Stille in der Helenenstraße. Ich werde Pastorin in der Kirchengemeinde Altona-Ost sein, nach wie vor mit eigenen Taufen, Trauungen und Beerdigungen aus „meinem“ Bezirk. Ich werde natürlich auch darüber hinaus Aufgaben in der Kirchengemeinde wahrnehmen, aber der Schwerpunkt meiner Stelle ist die Kirche der Stille selbst, ihre Angebote und Inhalte. Dort werde ich selber auch „meine“ Gottesdienste feiern, traditionell am Sonntagabend. In der Kirche der Stille geht es um die Einübung von spirituellen Wegen, also darum, Erfahrungen zu machen mit dem Glauben, mit Gott, mit dem, was jenseits von „für richtig halten, weil es eine Bekenntnisschrift so sagt“ erst anfängt. Es geht um eine Praxis Pietatis, eine Glaubenspraxis, darum, sich für einen Weg zu entscheiden und sich dem dann auch zu verpflichten, ganz lebenspraktisch. Letztlich geht es darum, mit Gott in die Tiefe zu wachsen. Es gibt eine ganze Reihe von spirituellen Wegen, die an der Kirche der Stille gelehrt und geübt werden und schon lange eine Tradition haben: das gemeinsame Musizieren in vielen Variationen z.B., Meditation, meditativer Tanz, Heilarbeit und Kontemplation, alles unter der Überschrift Stille. Ich selber komme ja vom Herzensgebet her, einem kontemplativen Weg, Gott in der Stille zu suchen und zu erfahren. Ich halte Stille für enorm wichtig in dieser lauten Zeit, die so viel Ablenkung anbietet und so viel Oberfläche feiert. Einen Ort zu haben und für sich immer wieder zu finden in eigenen Leben, wo Stille ist und ich einer anderen Stimme zuzuhören lerne als nur den vielen Stimmen, die in mir und um mich das Wort erheben, ist für mich ein kostbares Gut. „Wenn der Mund schweigt, spricht das Herz, wenn das Herz schweigt, spricht Gott.“ Das hat mich in meinen Klostererfahrungen begleitet. Er trifft ganz gut den Weg, um den es geht. Von außen nach innen, von der Oberfläche in die Tiefe. Geistliche Begleitung wird einen breiten Raum einnehmen in dieser Arbeit und auch Seelsorge, schon immer mein Feld. Ich freue mich sehr darauf, mich nach all den Jahren mit einem sehr weiten Spektrum an Aufgaben, an einer Stelle in die Tiefe gehen zu dürfen und mit anderen zusammen den Glauben sehr persönlich durchzubuchstabieren für ein Leben. Ich freue mich darauf, Seminare mit spannenden Referent*innen vorzubereiten und auch zu geben, Themen und Menschen zu suchen für das, was dran ist und Räume zu schaffen, um einen ganz persönlichen Weg zu Gott zu finden. 

Wie können junge Leute in der Kirche nachhaltig verankert werden? Muss sie sich verändern?

„Wer will, dass Kirche so bleibt wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt“, dieser kluge Satz einer Schweizer Theologin hat es mal ganz gut auf den Punkt gebracht. Man könnte auch an das reformatorische „Ecclesia semper reformanda“ erinnern. Kirche muss sich nicht nur verändern, sie tut es auch, wenn sie wirklich Kirche ist und nicht nur Besitzstände wahrt. Gleichzeitig ist kirchliche Arbeit, gerade mit Kindern und Jugendlichen, Beziehungsarbeit und damit zeitintensiv. Sie braucht einen langen Atem und Verlässlichkeit, sie muss ihnen ein Gegenüber sein, an dem sie sich abarbeiten und ausprobieren können. Jugendliche haben heute so viele Möglichkeiten, dass es Stress pur ist, das für sie Richtige zu finden in einer Zeit, in der die Selbstoptimierung überall gefeiert wird. Einen Raum zu kennen, wo ich mir darüber klar werden kann, wer ich eigentlich bin und wie ich leben will, was ich dafür brauche und vielleicht auch wen, welchen Sinn dieses ganze Unterfangen Leben hat und wo der Ort ist, an den ich gehöre auch mit meinem Engagement, sich damit zu beschäftigen, ist wichtig. Ich kann mir gut vorstellen, auch an der Kirche der Stille mit Jugendlichen zu arbeiten. Ein Jahr in einer Gruppe mit guter Begleitung, um einen spirituellen Weg einzuüben und zu gehen, ein Commitment zu einer speziellen Aufgabe und zu einer festen Gruppe. „Du musst nicht anders werden für Gott, er begegnet dir da, wo du bist und so wie du bist“. Das ist schon mal eine wichtige Botschaft in einer Zeit, wo es allenthalben andere Botschaften hagelt. Alles andere kommt später. „Gott hat dich liebevoll im Blick. Und er hat etwas mit dir vor, wenn du ihn lässt“. 

Wie stellt sich die Personalsituation für die Kirche insgesamt und auch hier in Zukunft dar?

2030, so die Prognose, werden wir ein Drittel weniger Pastores zur Verfügung haben, ein Drittel der Pastorenstellen werden gestrichen werden müssen, weil uns der Nachwuchs fehlt. Unsere Gemeinde hat sich früh damit beschäftigt, was auf sie zukommen kann und sich ganz gut aufgestellt für die Herausforderungen der Zukunft. Wir haben hier Mitarbeitendenstellen ausbauen können und es auch getan in den letzten Jahren. Das ist für viele Gemeinden finanziell überhaupt nicht möglich. Wir haben tolle neue Mitarbeitende gewinnen können und überlegen bereits, welche bisher pastoral versorgten  Aufgaben auch auf andere Schultern verlagert werden können und was vielleicht ehrenamtlich übernommen werden kann. Vermutlich wird man sich auch ehrlich die Karten legen und auch streichen müssen. Im Zukunftsprozess des Kirchenkreises hat sich für uns eine Form der Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde Rissen herausgebildet, in der Musik ist. Es geht darum, Synergieeffekte zu erzielen und voneinander zu profitieren. Das, was bislang schon auf den Weg gebracht ist, macht Mut für die Zukunft. Alles in allem ist Blankenese ist gut aufgestellt und flexibel darin, neue Herausforderungen beherzt anzugehen. Der Rest ist Gottvertrauen, würde ich sagen. Hier sind so viele Menschen, die diese Gemeinde lieben. Das wird schon klappen.

Liebe Frau Melchiors, ich danke Ihnen für Ihre Zeit und für die Einblicke in Ihre neue Aufgabe. Sie gehen in Altona auf bekannten Pfaden weiter, werden aber auch neue Wege beschreiten. Dafür begleiten Sie die guten Wünsche der Blankeneser Gemeinde verbunden mit großer Dankbarkeit für Ihr großes Engagement hier im Ort. 

Pastorin Melchiors wird am Ostersonntag im Fago um 11.30 Uhr verabschiedet und am 16. April um 10 Uhr im Gottesdienst durch den Probst.

1 Kommentar

  1. Veröffentlicht von Elke Meinhardt am 08.09.2023 um 10:56

    Das ist ein tolles Interview, danke und herzliche Grüße!
    Elke Meinhardt, Pastorin in Lüchow (Wendland)

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