Mika – 15 Jahre, lebenslustig, fröhlich, ausgebremst von einem Virus

Lockdown, Homeschooling, Maskenpflicht an Stelle von Tanzstunde, Sportverein und Klassenreise

Mika (15) besucht die 10. Klasse im Gymnasium Blankenese. Sie hat sich mit ihrer ehemaligen Schulleiterin der Gorch-Fock-Schule über ihr – neues – Leben im Lockdown mit Homeschooling und dem mühsamen Schulstart unter Coronabedingungen unterhalten. Über Verluste, aber auch über Momente, die in schöner Erinnerung bleiben. 

Liebe Mika, ich kenne Dich von der Gorck-Fock-Schule, der Du aber längst entwachsen bist. Erzähle uns ein wenig über Dich – wo Du wohnst und welche Schule Du besuchst.

Ich wohne im Treppenviertel in Blankenese und besuche das Gymnasium Blankenese. Ich bin in der 10. Klasse.  Meine jüngere Schwester geht auch auf meine Schule. Unser kleiner Bruder ist noch in der Gorch-Fock-Schule. 

Mika ©Saskia Drechsel

In der Grundschule bist Du jeden Morgen fröhlich in Deine Klasse gegangen. Gehst Du immer noch gern in die Schule?

Ja, tatsächlich! Ich gehe gern zur Schule, besonders nach dem Lockdown durch Corona. Diese Zeit war anstrengend. Deswegen habe ich mich sehr auf die Schule gefreut. Freunde zu treffen, etwas zu tun zu haben. Außerdem mag ich es, wenn ich etwas Neues lerne. 

Corona hat unser Leben auf den Kopf gestellt – auch Euer Schulleben. Wie hast Du den Lockdown nach den Frühjahrsferien erlebt?

Es war eine anstrengende Zeit!  Am Ende der Märzferien, als die Schulschließung beschlossen wurde, klang es zunächst nach einer entspannten Phase: Ich dachte, wir bleiben einfach noch ein wenig zu Hause, schlafen morgens länger, haben weniger zu tun und in ein paar Wochen ist alles wieder vorbei und wie immer. Aber es dauerte viel länger als gedacht. Unsere Aufgaben von der Schule kamen anfangs per Email an die Eltern, später über eine Online-Plattform. Nichts wurde mehr direkt erklärt, man musste sich vieles selbst erschließen. Manchmal dauerte es lange, bis die Erklärung von der Schule kam. Der Halt durch die Schule fiel für mich weg. Treffen mit Freunden und Aktivitäten fanden nicht mehr statt. Ich musste meine schulischen Aufgaben allein organisieren und viel allein leisten. Anfangs habe ich nur mit Freunden und Freundinnen telefoniert, später war dann auch ein Treffen mit einer Freundin möglich. 

Was waren die größten Probleme im Homeschooling für Dich/Deine Freundinnen und Freunde?

Ich habe ziemlich starken Druck von der Schule gespürt. In vielen Fächern kam sehr viel Material von den Lehrern. Am Nachmittag hatte man dann nicht mehr viel zu tun. Ich fühlte mich manchmal nutzlos. Die Ferien fühlten sich nicht mehr wie Ferien an, weil wir immer zu Hause waren. Früher habe ich mich immer auf die Ferien gefreut, auf Sachen, zu denen ich sonst keine Zeit hatte. Aber all das hatte ich während des Lockdowns schon gemacht.

Gab es in diesen Wochen positive Aspekte für Dich?

Man lernte seine Aufgaben zu strukturieren und sich selbst gut zu organisieren. Ich musste mir einen festen Plan machen. Das war gut und das nehme ich aus dieser Zeit mit. Meine Schwester und ich haben uns fast jeden Tag um unseren kleinen Bruder gekümmert. Dadurch habe ich besser erklären gelernt. Meine Eltern haben gearbeitet, wir haben uns gekümmert. Es gab aber auch Konflikte mit dem kleinen Bruder.  

Hat sich Euer Familienleben im Lockdown verändert?

Wir haben viel mehr miteinander geredet und das war schön. Wir haben oft alle zusammen lange am Abendbrottisch gesessen. Es war auch nötig, irgendjemanden vom Tag zu erzählen, damit jemand stolz auf einen ist. Sonst kommt das von den Lehrern und jetzt von der Familie. Konflikte eskalierten viel schneller als normalerweise. Unsere Eltern haben viel mit uns über die neue Situation gesprochen. Sie wussten, was wir leisten. Meine Geschwister und ich sind jeden Morgen joggen gegangen – zu dritt. Das war gut für die Konzentration. Oft haben wir zusammen auf der Bank gesessen und auf die Elbe geschaut. Das waren sehr schöne Momente.

Nach den Sommerferien gab es wieder Präsenzunterricht? Aber weit weg von der Normalität vor der Pandemie. Wie sieht solch ein neuer Schulalltag aus?

Wir mussten bis Ende Oktober auf dem Schulhof Masken tragen, in Klassenräumen war es bis zu den neuen Regeln ab November freiwillig. Die Lehrer kontrollieren stark, ob wir die Masken tragen und Abstand halten. Es wird viel mehr gelüftet, alle 20 Minuten für fünf Minuten. Wir sitzen alle mit Decken und Jacken im Klassenraum. Ich sitze am Fenster, da ist es oft besonders kalt. Viele von uns tragen schon seit dem Sommer im Unterricht eine Maske, weil einige Lehrer das wollten. Alle reden deswegen leiser. Das ist ein Problem, auch wegen des Lärms von draußen. Der Schulchor findet wieder statt, aber unter extremen Sicherheitsbedingungen.  Wir sitzen alle auf Stühlen mit großem Abstand. Klassenübergreifend im Jahrgang dürfen wir Kontakt haben, aber nicht mit den anderen Jahrgängen. 

Gibt es auch Dinge, die komplett wegfallen? Was fehlt Euch am meisten? 

Es gibt keine Klassenreisen, keine Feiern, keine Konzerte. In der Pause müssen wir uns in bestimmten Bereichen aufhalten, damit die Jahrgänge sich nicht mischen. Praktika finden nicht statt.

Ich wünsche mir mehr digitales Lernen, dass die digitale Schulplattform von allen Lehrern weiterhin benutzt wird. Während des Lockdowns war das so, jetzt leider nicht mehr. Viele Lehrer greifen im Umgang mit den digitalen Medien auf Schülerhilfe zurück. Einige Lehrer haben sich sehr um ihre Schüler und Schülerinnen gekümmert, auch um das persönliche Wohlbefinden. Viele haben sich große Mühe gegeben. 

Hast Du das Gefühl, dass wichtige Inhalte auf der Strecke bleiben?

Nein, wir lernen nicht weniger. Während des Lockdowns ist der Spagat weiter auseinander gegangen zwischen denen, die gut selbstorganisiert arbeiten konnten oder zu Hause viel Hilfe bekamen und den Schülern und Schülerinnen, die auf mehr Erklärungen angewiesen gewesen wären. In den Fächern Mathe und Chemie merkt man das beispielsweise stärker, weniger in Deutsch und PGW (Politik, Gesellschaft, Wirtschaft).

Was hat sich für Dich am meisten verändert?

Einige Freundschaften sind enger geworden, weil man sich noch intensiver miteinander ausgetauscht hat, andere Freundschaften haben durch den selteneren Kontakt aber auch gelitten. Es gab ein paar Krisen mit Freunden und Freundinnen, die ich zum Glück wieder hingekriegt habe. Als wir wieder in der Schule waren, gab es so viel zu erzählen. So vieles hatte sich lange angestaut! Es war für uns alle sehr viel auf einmal.  

Nach den Sommerferien war es schon eine sehr turbulente Zeit!!!

Liebe Mika, was ist Dein größter Wunsch?

Dass Corona endlich weg ist! Dass alles nicht mehr so anstrengend ist! Die Probleme, die da sind, werden durch Corona erschwert.  Jetzt gibt es wieder Einschränkungen. Die Musikschule darf zwar noch offen sein, aber zum Beispiel die Tanzschule ist geschlossen, und auch die Sportvereine. Ich habe Angst, dass die Schule geschlossen wird. Das geht nicht allen so, manche meiner Klassenkameraden würden sich über eine erneute Schulschließung durchaus freuen. Ich wünsche mir, dass mein Leben wieder so unbeschwert wird wie vor Corona.

Liebe Mika, ich danke Dir herzlich für Deine ehrlichen, differenzierten Antworten. Es war eine Freude für mich, mit Dir zu sprechen. Ich habe große Hochachtung vor Deiner Leistung und der Deiner ganzen Familie. 

1 Kommentar

  1. Veröffentlicht von Beate Rasmussen am 09.11.2020 um 18:11

    Liebe Mika und liebe Vera Klischan,
    vielen Dank für dieses kluge und wunderbare Interview. Es ist eine Freude Euren Beitrag zu lesen, obwohl Ihr hier ein schwieriges Thema behandelt. Wenn die Pandemie überwunden ist werdet Ihr hoffentlich mit ganz viel Stolz auf Eure Leistung in dieser Zeit zurückblicken können!
    Beate Rasmussen

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