Partytourismus und Saufgelage -Was ist los in unseren Parks?
Verlassen spielende Kinder, Jogger und Yoga-Gruppen in den frühen Abendstunden die Parks, kommen andere Besucher und belagern Bänke und Wiesen. Mit im Gepäck: Eine möglichst große Boom-Box und Alkohol. Sie kommen, um Party zu machen. Laut, lang und exzessiv. Eine Momentaufnahme von einem Montagabend im August
23.45 Uhr. Aus dem Hessepark dringen Bässe, dumpfes Grölen, rhythmische, nicht zuzuordnende Schläge und das hohe Kreischen angetrunkener Mädchen. Am zentralen Platz zwischen den Kastanien ist wieder Party, rund 40 Jugendliche stehen zusammen, trinken, rauchen, grölen. Am Parkeingang zur Straße Hessepark streiten drei Jugendliche, ein Mädchen versucht mit schriller Stimme zu schlichten. Unter der Veranda der Bugenhagenschule spielt sich ein vom Alkohol befeuertes Beziehungsdrama ab. Während eine weibliche Stimme immer wieder weinerlich fordert, dass sie endlich umarmt werden wolle, antwortet der scheinbar zeitweise dazugehörende Begleiter mit ruppigem Tonfall, die Sch…solle ihn in Ruhe lassen. Dazwischen klirren immer wieder Flaschen auf den Boden und die rhythmischen Schläge verstärken sich. Woher kommen sie? Ein Jugendlicher hat ein provisorisches Baustellenschild aus seiner Verankerung gerissen und drischt damit auf den Rasen ein.
Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei
Einer der Anwohner ruft entnervt von dem allabendlichen Lärm und der zunehmend aggressiven, unschönen Stimmung im kleinen Park die Polizei im Blomkamp an. Nach langer Wartezeit meldet sich ein diensthabender Polizist. Ja, er würde einen Streifenwagen vorbei schicken. Aber erst, wenn die Kollegen mit dem Einsatz im Westerpark fertig wären. Da würden sich nämlich jeden Abend die gleichen Szenen abspielen. Es sei ein sich täglich wiederholendes „Katz und Maus“-Spiel, das in den letzten Monaten verstärkt zugenommen habe.
Am Morgen kommt die Stadtreinigung zum regelmäßigen Einsatz. Flaschen, Scherben, Kronkorken, Pappbecher, Kippen – alles wird fein säuberlich aufgesammelt, die Wege geharkt. Frei nach dem Motto: Feiert nur – we kehr for you.
Partytourimus in die Elbvororte
Später radelt gut gelaunt der für unseren Ort zuständige Polizist durch den Hessepark. Er kennt die nächtlichen Probleme, weiß, dass sich in den letzten Monaten innerhalb der Stadt ein extremer Partytourismus verbreitet hat, Jugendliche aus anderen Stadtteilen zum Teil weite Wege in Kauf nehmen, um in den Parks und an der Elbe ausgelassen zu feiern. Und er berichtet auch von den zu wenigen Kollegen, die im Dienst sind. Von den Stellen, die nicht besetzt werden können. Und auf der anderen Seite von den älteren Kollegen, die in den Ruhestand versetzt werden, obwohl sie ihren Dienst gerne noch verlängern würden. Warum der Beruf als Schutzmann für so viele junge Leute nicht attraktiv ist? Weil der Verdienst so gering ist.
Der erfahrene Polizist erzählt, dass sich Anwohner anderer Parks nun selbst gegen die allabendlichen Partys wehren und einen privaten Sicherheitsdienst beauftragt haben, der durch seine Präsenz für Ruhe sorgt.
Private Sicherheitsdienste sorgen für Ruhe
Abends, nach 18 Uhr im Baurs Park nahe des Kanonenbergs, stehen sie dann auch, die privaten Security Männer. Bereitwillig erzählen sie, dass sie seit 14 Tagen für Ruhe im Baurs Park sorgen. Immer von 18 Uhr bis Mitternacht, bei Bedarf auch länger. Finanziert von den Anwohnern. Natürlich können sie keiner fröhlich feiernden Gruppe verbieten den Park zu nutzen, aber sie können, wenn es zu laut wird, nach 22 Uhr auf Ruhestörung hinweisen und die Feiernden bitten, weiterzuziehen.
Der Erfolg ist offensichtlich, die Szene ist weitergezogen, vom Baurs Park in den Hessepark. Nicht, ohne vorher noch einen Stopp im Supermarkt an der Elbchaussee einzulegen. Bis 22 Uhr kann hier Alkohol gekauft werden. Musste man früher zur Tankstelle fahren, um Nachschub zu holen, muss man jetzt nur ein paar Meter laufen. Und zum Vorglühen eignet sich der breite Gehweg vor dem Haus ideal.
Nachschub bis 22 Uhr aus dem Supermarkt
Und auch wenn bei vielen der Eindruck entstanden ist, das Partyvolk käme ausnahmslos aus anderen Stadtteilen und „gehöre nicht hierher“: Ganz so ist es nicht. In allen weiterführenden Schulen im Stadtteil gibt es meist ab der 8. Klasse eine sich rapide steigernde Feierkultur. Wie die „Kinder“ an Alkohol kommen? Durch ältere Geschwister, die für sie ein Sixpack kaufen. Junge Erwachsene, die ihnen für einen kleinen Beitrag die begehrte Ware aus dem Supermarkt mitbringen. Und die eigenen Eltern, die ohne mit der Wimper zu zucken Vodka für den Nachwuchs kaufen und sich beim Kassierer noch besorgt erkundigen, „ob der auch keinen Kopf macht“.
Es bleiben Fragen. Warum tolerieren die Eltern der Jugendlichen, dass ihre Kinder sowohl unter der Woche als auch am Wochenende ausufernde Partys in den Parks feiern? Wo ist das elterliche Korrektiv, dass dem ungezügelten Besäufnis Einhalt gebietet? Merken die Eltern nicht, wenn der Nachwuchs strudeldudeldicht ins Haus torkelt? Ist es Ihnen egal?
Schauen Eltern einfach weg?
Wo haben wir als Gesellschaft versagt, dass es für Jugendliche und Heranwachsende als normal gilt, sich öffentlich zu besaufen und ohne Rücksicht oder auch Respekt vor den Mitmenschen Parks zu verunstalten, Bänke zu demolieren und Allgemeingut zu zerstören? Sich in die Hemmungslosigkeit zu befördern, um sich dann die Probleme von der Seele zu brüllen, Streit anzuzetteln und bei nächtlichen Spaziergängern ein Gefühl von Unsicherheit zu erzeugen?
Warum ist es nicht möglich, unseren Staatsdienern wie Polizisten, Erziehern und zahlreichen für unsere Gesamtgesellschaft essenziellen Berufen ein Gehalt zu zahlen, dass diese Berufe attraktiv macht? Sind Bezirk und Stadt damit überfordert, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, so dass private Ordnungsdienste engagiert werden müssen? Werden diese da, wo man sich die privaten Sheriffs nicht leisten möchte, durch Bürgerwehren ersetzt?
Teufelskreis aus Langeweile, Alkohol und Drogen
Was kann helfen? Ein breiter Konsens in der Gesellschaft, dass wir dieser Partykultur, die nicht fröhlich, sondern dumpf-aggressiv ist, Einhalt gebieten müssen. Zum Schutz der Generation, die da gerade heranwächst und massiv unter den Einschränkungen der Corona-Pandemie leiden musste. Eltern, die hinsehen, wo ihre Kinder wann mit wem sind. Schulen, die zusammen mit Eltern Konzepte gegen den Teufelskreis aus Langeweile, Alkohol und Drogen entwickeln.
So hilfreich auf den ersten Blick das Investment in einen privaten Wachdienst erscheint, so kurzsichtig ist diese Maßnahme für die gesamte Entwicklung. Damit nehmen gutsituierte Bürger Eltern und Staat Verantwortung ab. Doch eine Verdrängung der Szene löst das Problem nicht, sondern verlagert es nur.
Verbote gegen die Saufkultur?
Nun sind Sie gefragt, liebe Leserinnen und Leser. Sich nur über die ausgeprägte Saufkultur in den Parks zu echauffieren ist einfach, Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation zu entwickeln aber deutlich schwieriger. Im Jenischpark herrscht mittlerweile bis auf die Vormittagsstunden (blankenese.de berichtete) ein Alkoholverbot. In anderen Ländern sind öffentliche Parkanlagen nachts abgeschlossen und Alkohol wird nur in Geschäften mit einer entsprechenden Lizenz verkauft. Wird deshalb weniger konsumiert? Wird so das subjektive Sicherheitsgefühl der nächtlichen Spaziergänger und Anwohner gestärkt?
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Diese Situation ist ja leider schon seit Jahren so, aber m.E. wird es immer schlimmer und die Jugendlichen immer jünger. Als erstes sollte es (leider) ein Alkoholverbot wie im Jenischpark geben und natürlich entsprechend kontrolliert werden. So wie auch im Artikel geschrieben, stehen aber auch die Eltern in erster Linie in der Pflicht, sich darüber Gedanken zu machen, ob es richtig ist, wenn die Kinder total betrunken jeden Abend nach Hause kommen. Das ist für mich unbegreiflich, was alles tolleriert wird bzw. nicht gesehen werden möchte. Ich bin es jedenfalls wirklich leid, dass die schönen Parks die wir haben permanent verunstaltet werden.
Laßt doch die Leute zufrieden, ihr Spießer. Eine (wenn auch ganz anders geartete) Protestkultur hat es im Hessepark doch auch früher schon gegeben. Damals, um die 1970 herum, saßen wir alle im Kreis (ungefähr dort, wo heute der Spielplatz ist). Einer spielte Gitarre, einer die Bongo und ein anderer die Maultrommel. Ein Chillum ging herum oder ein Joint wurde gebaut, möglichst ein 9-Blatt. Da trat dann schon mal ein jüngerer Schüler hinzu und fragte: „Was machst du denn da?“ Antwort: „Ich baue eine Rakete. Und die zünde ich gleich an, und dann fliegen wir alle weg.“ – Anschließend ging es dann, so gegen 4, angekifft zu Tchibo in die Bahnhofstraße. Nochmals: Laßt doch die Leute in Ruhe.
Ich weiß nicht, ob man ein Spießer ist, wenn man sich fragt, ob solche Partys zwingend mit dem Aggressions- und Zerstörungspotential verbunden sein müssen.
Muss es denn sein, dass die Glasflaschen zu Scherben zerdeppert werden? Dann doch lieber eine 9-Blatt-Rakete. Die ist möglicherweise auch nicht ganz gesund, aber hinterlässt deutlich weniger Müll.
Vermutlich wird ein jeder, der entweder Kinder, oder Tiere hat, die sich an den Glasscherben verletzen augenblicklich zum Spießer.
Apropos Spießer: Vor ein paar Jahren gab es mal einen Werbespot, in dem ein junger Vater mit seiner Tochter auf einem Bauwagenplatz saß und die Tochter erzählt ganz begeistert von einem, der eine Wohnung auf dem Dach hat, von dem aus man über die ganze Stadt schauen kann. Darauf hin der Vater: Spießer! Und die Tochter: Papa, wenn ich mal groß bin, will ich auch Spießer werden.
Ist also anscheinend gar nicht so schlimm, oder?
Also nix dagegen, wenn die Kids sich die Kante geben und ein paar Sauflieder grölen. Die Flaschensammler freut es allemal, aber Scherben mögen die auch nicht.
Sehr geehrte LeserInnen,
im obengenannten Artikel war zu lesen, dass Jugendliche auf Partys in öffentlichen Parks immer stärker die Nachbarn mit Lärm belästigen, Sachbeschädigungen begehen sowie sich gegenseitig, auch aufgrund des starken Alkoholkonsums, prügeln. Dabei werden Schuldige für die Problematik gesucht, z. B. die Gesellschaft, die Polizei oder die überforderten Eltern. Im Artikel werden die beauftragten Sicherheitsleute als „Sheriffs“ bezeichnet, womit die Geringschätzung dieser Maßnahme klar wird. Die Jugendlichen ziehen einfach in einen anderen Park weiter. Auch ich bin der Überzeugung, dass private Security-Dienste das Problem nicht lösen. Dieses Fehlverhalten in Parks habe ich selbst schon erlebt, weshalb mir die Darstellung realistisch erscheint. Daher finde ich es wichtig, dass man sich überlegt, wie dies weniger werden kann bzw. von Anfang an vermieden wird.
Zu Beginn sollte man sich ansehen, welche Herausforderungen Jugendliche zu bestehen haben:
– Schulabschluss was nun?
– Freundeskreis ändert sich bzw. Treffen müssen extra geplant werden
– Pubertät Selbstbewusstsein, Sex, Liebe
– Selbstständig werden, z. B. eigene Wohnung
Die ständige Reglementierung durch Eltern, Schule usw. erfordert es auch, dass man einmal ausbrechen kann, z. B. wenn man feiert im Park. Daher sollten pädagogische Angebote ausgeweitet werden, um Randale und Saufgelage im Park zu vermeiden.
Andererseits finde ich es auch wichtig, dass es Regeln und Sanktionen gibt, denn in Sondersituationen helfen keine pädagogischen Angebote möglicherweise mehr. Daher bin ich auch für eine strengere Gesetzgebung.