Konfirmation auf Abstand – wie kann das gelingen?

Konfirmation – ein ganz großer Tag für die Jugendlichen. Nach einer langen Zeit der Vorbereitung ist die Konfirmation der Höhepunkt für den Jugendlichen, die Eltern, Großeltern, Paten. Wie kann der Unterricht in Zeiten von Corona gelingen? Glaubensfragen, Auseinandersetzung mit der Kirche, aber auch Zweifel und kritisches Hinterfragen – all das muss Platz haben in der Vorbereitung auf die Konfirmation, auf dem Weg zur Bestätigung, Bekräftigung. Denn nichts anderes bedeutet Konfirmation. Bedarf es dafür nicht der Nähe, der persönlichen Begegnung?

Für diese Fragen hat sich Vera Klischan mit Pastor Warnke getroffen, der genau wie Pastor Poehls die Konfirmanden und Konfirmandinnen seit Jahren vorbereitet.

Lieber Herr Warnke, Sie stehen neben Herr Pastor Poehls und Frau Höber in unserer Gemeinde für die Vorbereitung der Konfirmanden. Ist Konfirmation noch „modern“? Wie sehen das die Jugendlichen? Welche Motivation treibt die Jugendlichen? Sind es (nur) die Geschenke?

Wie überall gibt es eine gute Mischung aus Tradition in der Familie und eigenem Antrieb. Viele Jugendliche sind von sich aus motiviert und neugierig. Sie möchten wissen, was hinter den Kirchenmauern passiert. Es gibt auch Jugendliche, die ihren Glauben als Teil ihres Lebens betrachten, die sich auf Gespräche freuen und ihre Gedanken teilen wollen. Einige haben auch ganz konkrete Fragen. Ist Konfirmation „modern“? Ich würde sagen, es ist ein gegenseitiger Prozess. Die Jugendlichen bringen ihre jugendliche Welt ins Haus, und die Kirche sollte diese Welt wahrnehmen und ohne Bewertung ansehen, womit die Jugend sich beschäftigt. Es ist immer ein Unterricht auf Augenhöhe. Wir lernen auch dazu.

Nimmt die Zahl der Jugendlichen, die sich zur Konfirmation anmelden, ab oder ist sie konstant? Spiegelt sich die Abkehr von Kirche in den Zahlen wider?

Blankenese spiegelt den allgemeinen Austrittstrend nicht wider. Unsere Zahlen sinken nicht im Gegensatz zum bundesweiten Trend. Die Anmeldungen zur Konfirmation sind stabil und liegen immer zwischen 100-120 Jugendlichen pro Jahrgang.

Welche aktuellen Themen greifen Sie neben den theologischen Aspekten auf, um die Jugendlichen „abzuholen“?

Aktuelle Themen sind immer schon Teil unseres Curriculums. Gerade in der letzten Zeit ist Nachhaltigkeit ein großes Thema, ebenso wie Gerechtigkeit und Fairer Handel. Auch Jugendliche sind Konsumenten. Für diese Themen ein Bewusstsein zu schaffen, ist Teil des Unterrichts. 

Mein Wunsch ist es, dass die Jugendlichen eine Verbindung zu ihrem Glauben herstellen. Wir können hier nur Orientierungspunkte nennen. Die Jugendlichen entscheiden, wie und ob sie das annehmen. Wichtig sind zu Beginn und am Ende jeder Unterrichtsstunde verlässliche Rituale. Zu Beginn findet so etwas wie eine kleine Andacht statt mit einem Gebet und einem gemeinsamen Lied. Wir sitzen beisammen und in diesem Gemeinschaftsgefühl erzählen die Mädchen und Jungen, was in ihrem Leben passiert. Ein sehr wichtiges Ritual im Sinn von „Wir sind zusammen“. Einen ganz hohen Stellenwert haben die Freizeiten, z.B. die Andachten bei Kerzenschein, gemeinsam das Abendmahl zu feiern. Die Jugendlichen sind offen und bereit, sich auf solche Erfahrungen einzulassen und ihren Glauben praktisch zu erleben.

Pastor Thomas Warnke ©Kirche im NDR

Weitere Themen sind zum Beispiel die 10 Gebote unter der Überschrift: Was gibt meinem Leben Orientierung? Oder die Übersetzung der Bergpredigt in eine aktuelle Situation, beispielsweise auf dem Schulhof. Halte ich dann auch noch die andere Wange hin, wenn ich mich angegriffen fühle? 

Daneben ist Konfirmandenunterricht immer auch Stadtteilarbeit. Die Jugendlichen begegnen sich nicht im vertrauten Klassenverbund, sondern schulübergreifend. Nicht selten entstehen dadurch neue Freundschaften. 

Bringen die Konfirmanden*innen auch eigene Themen ein?

Die meisten kommen mit großer Neugier. Sie wollen wissen, was in Kirche passiert, was ist mit Gott? Oder auch: wie glauben Menschen in anderen Religionen? Ein wichtiges Thema ist die Freizeitgestaltung. Sie wünschen sich oft erlebnisorientierte Dinge wie einen Kuchen zu backen oder einen Ausflug zu machen. Das ist der Gegenpol zur fordernden Schule, die vielen Jugendlichen Druck macht. Es geht darum, gemeinsam etwas tun. 

Die evangelische Kirche in Blankenese ©Vera Klischan

Werden Sie auch mit Zweifeln, Schwierigkeiten im Glauben konfrontiert? Wie gehen Sie damit um?

Genau wie bei Erwachsenen gibt es auch bei den Jugendlichen Zweifel. Mit jugendlicher Frische glauben sie beispielsweise eher an die Evolutionstheorie und nicht an die biblische Schöpfungsgeschichte. Ihre Zweifel zeigen sich im Sinn von „Mein Verstand sagt mir etwas anders.“ Sie spüren einen Widerspruch, und wir nehmen sie damit ernst. Manche Fragen können wir klären. Auch ich halte die Evolutionstheorie für einleuchtender als den biblischen Bericht. Aber die Menschen kannten diese Theorie damals noch nicht. Sie hatten ein anderes Weltbild. Und in diesem Weltbild war Gott an zentraler Stelle verankert. An welcher Stelle taucht Gott in jugendlichen Weltbildern heute auf? Darüber kommen wir ins Gespräch.

Wir haben bei all dem versucht, dennoch das Gute in den Blick zu nehmen. Wo finden wir Stärkung in dieser Zeit, in der fast nichts geht?

Die Jugendlichen können sich zum Beispiel selbst in die Rolle einer biblischen Geschichte versetzen, um deren Wirkung zu erleben, um Glauben erfahrbar zu machen! Wissen ist wichtig, aber sie sollen ein Gefühl dafür entwickeln, was Glaube für sie bedeutet. 

Für all diese Themen ist persönliche Begegnung wichtig. Wie läuft der Konfirmandenunterricht in Zeiten von Corona? 

Schwierig! Bis unmöglich! Am schwierigsten ist derzeit die Tatsache, dass wir durch die Verschiebung vom letzten Jahr immer noch einige Konfirmanden in der „Warteschleife“ haben. Zu diesen jungen Leuten besteht zur Zeit wenig Kontakt, da schon die neuen da sind. Zur Zeit ist keine klassische Konfiarbeit möglich. Aufgrund der notwendigen Abstandsregeln und Beschränkungen fehlt unserem Konfirmandenunterricht im Moment wesentliches. Persönliche Begegnungen finden nicht statt. Wir haben fast nur Treffen über Zoom. Das allerdings hat sich mit Unterstützung der Eltern gut eingespielt. Der Unterricht ist dadurch aber wesentlich verschulter. Wir stellen Aufgaben für die Arbeit zu Hause, z.B. die Frage nach Gott: „Sag mal, wie du dir Gott als Kind vorgestellt hast.“ Die Jugendlichen haben dafür Fliesen gestaltet. Sie haben gezeichnet oder andere kreative Lösungen gefunden, um ihre Vorstellung von Gott darzustellen, sozusagen ihr Inneres nach außen zu bringen. Sie wurden aufgefordert, sich selbst zu befragen nach der eigenen Wahrnehmung von Gott. Die Ergebnisse schauen wir uns dann in der Folgewoche gemeinsam an.

Welche Schwierigkeiten bringt das mit sich? Geht Nähe zu den Jugendlichen dadurch verloren? Gibt es Möglichkeiten, das zu kompensieren?

Durch die Masken, die wir im Präsenzunterricht trugen, fehlt uns nach wie vor ein offener Blick ins Gesicht. Ein erschwertes Kennenlernen. Die ersten Präsenztreffen fanden mit großem Abstand statt ohne Spiele, ohne Gesang, immer maskiert! Entscheidend sind vor allem die Freizeiten mit intensiver gemeinsamer Zeit, das wird alles noch lange nicht gehen. Leider bleibt ein eher mageres Paket übrig. 

Eine große Familienfeier gehört zur Konfirmation. War das im vergangenen Jahr möglich? Wie wurde unter Coronabedingungen gefeiert?

Im Herbst gab es kleinste Gottesdienste und kleinste Familienfeiern. Das hatte auch etwas Besonderes. Wir haben bei all dem versucht, dennoch das Gute in den Blick zu nehmen. Wo finden wir Stärkung in dieser Zeit, in der fast nichts geht? Wir haben uns entschieden, weniger zu klagen und lieber zu schauen, was wir gemeinsam zustande bringen. Das gibt uns ein Gefühl, uns mit unserem Glauben zu verbinden. Lasst uns auf das Gute schauen und damit diesen Tag gestalten!

Wie geht es nach der Konfirmation weiter? Wie kann die Kirche – Sie und Ihre Kollegen*innen im Priesteramt – die jungen Leute halten? Möglicherweise erschwert durch die aktuelle Situation.

Es sortiert sich. Nicht jeder muss dabeibleiben. Für diejenigen, die wollen, haben wir Angebote. Anika Höber hat neue Formate für Jugendgruppen entwickelt. Diese Jugendgruppen leben auch von weiter geführten Ritualen aus dem Konfiunterricht. Dann gibt es viele offene Angebote. Wichteln, Pizzaparty, Übernachtung in der Kirche! Leider muss das zur Zeit ausfallen.  Aber es herrscht großes Interesse an diesen Treffen. 

Pastor Poehls hat seit Jahren seine Marafikigruppe. Ich fahre mit Jugendlichen nach Taizé. Da sind viele großartige Jugendliche, voller Motivation und eigener Ideen.

Lieber Herr Warnke, ich danke Ihnen herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meine Fragen so ausführlich und nachdenklich zu beantworten. Ich wünsche Ihnen und Herrn Pastor Poehls und vor allem den Jugendlichen mit ihren Familien, dass die Konfirmation trotz der Einschränkungen zu einem unvergesslichen Tag wird. Denn Konfirmation feiert man nur einmal!

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