Perspektivwechsel – die neue Praxis in Blankenese

Perspektivwechsel am Küchentisch? Geht das? Dem Leben eine neue Richtung geben? Drei Frauen mit unterschiedlichen Qualifikationen bieten in der Friedrich-Legahn-Straße Gespräche, Beratung und Coaching an. Erwachsene, Kinder, Familien – jeder, der den Blick von außen sucht, ist willkommen. Blankenese.de hat am Küchentisch gesessen und nachgefragt.

Seit August 2021 gibt es Sie hier in Blankenese? Wie kam es zu dieser Praxis, zu Ihrer Zusammenarbeit?

Zwei von uns (Bettina Pabsch und Susanne Vorberg) haben sich schon sehr lange Gedanken zu diesem Thema gemacht.Im Juni 2021 wurden unsere Überlegungen konkreter. Wir sind für ein „Brainstorm-Wochenende“ an die Nordsee gefahren. Mittlerweile war Annabelle Atwell mit vielen guten Ideen und Erfahrung dazu gestoßen. An der Nordsee haben wir an einem gemeinsamen Konzept gestrickt. Während wir viele gute Ideen in dieser ersten Sitzung entwickelten, bekamen wir plötzlich ein unschlagbares Raumangebot hier in der Friedrich-Legahn-Straße. Wir haben sofort zugegriffen. Der durch Corona entstandene Bedarf an Beratung hat unsere Idee befeuert. Viele Menschen – jung und älter – waren und sind in dieser Situation mit ihren Belastungen, Sorgen und Nöten unversorgt, Hilfeangebote sind rar und oft nur schwer zugänglich. Das hat uns Mut gemacht und uns vorangetrieben, im Sinn von „Wir werden jetzt gebraucht“.

Annabelle Atwell, Susanne Vorberg, Bettina Pabsch

Welche beruflichen Voraussetzungen bringen Sie mit? Welche Qualifikation ist wichtig für Ihre Arbeit?

Bettina Pabsch hat nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften und ihrer anwaltlichen Tätigkeit Weiterbildungen zur Systemischen Familienberaterin (Coach) und Systemischen Kinder- und Jugendtherapeutin (Heilpraktikerin für Psychotherapie) absolviert und ist zertifizierte Verfahrensbeiständin. Susanne Vorberg ist Wirtschaftsingenieurin und hat eine Ausbildung zum Systemischen Coach gemacht. Annabelle Atwell verfügt über einen reichen Erfahrungsschatz aus dem Bereich Aus- und Weiterbildungsberatung und untermauert diesen durch eine Ausbildung zum Kinder- und Jugendcoach.

Wir ergänzen uns sehr gut in unseren breit gefächerten Qualifikationen und unseren unterschiedlichen Persönlichkeiten. Wir sind einfach ein gutes Trio! Susanne Vorberg und Annabelle Atwell haben zudem wichtige Erfahrungen für unsere Arbeit in ihren jeweiligen Patchworkfamilien sammeln können. Die juristische Ausbildung von Bettina Pabsch spielt natürlich ebenfalls eine große Rolle. 

Ist Ihre Zielgruppe eher erwachsen? Sind es Kinder, Familien, wen sprechen Sie an?

Wir sprechen alle an: Wenn in einer Familie ein Familienmitglied nicht mehr zurechtkommt, Probleme, Sorgen, Ängste hat, persönlich oder beruflich in der Sackgasse steckt, betrifft das immer auch alle anderen, beeinträchtigt sie und belastet das System.  Gleiches gilt für alle anderen Systeme wie Beruf, Schule, letztlich auf Freundeskreise. Wir haben uns die Anliegen der Klienten thematisch aufgeteilt. Berufliches Coaching übernimmt in der Regel Susanne Vorberg, während schulische Probleme und Schullaufberatungen bei Annabelle Atwell landen. Bettina Pabsch kann durch ihre therapeutische Ausbildung mehr in die Tiefe gehen. Außerdem wird sie vom Familiengericht als Verfahrensbeistand bestellt und kümmert sich im Rahmen dieser Tätigkeit noch einmal in anderer Weise um das Wohlergehen von Kindern in schwierigen Lebenssituationen. Mittlerweile erfolgt die Ansprache durch potenzielle Klienten häufig direkt an die jeweilige „Fachfrau“.  Wir stehen aber immer auch – wie auf unserer Homepage angeboten – erst einmal für ein Orientierungsgespräch zur Verfügung, um die konkrete Bedarfslage auszuloten und erst dann über eine fachliche Zuweisung zu entscheiden.

Sie bieten Beratung und Coaching an. Darunter kann ich mir etwas vorstellen. Wie kann ich mir Verfahrensbeistand vorstellen?

Ich (Bettina Pabsch) bin als Juristin diejenige, die in der Praxis dafür zuständig ist. Ich bin der „Anwalt des Kindes“, wenn es vor dem Familiengericht zum Beispiel um Trennung und Scheidung geht. Mein Auftrag ist der Schutz des Kindeswohles. Die Eltern werden häufig jeweils von eigenen Anwälten vertreten, ich vertrete die Interessen der Kinder. Der/die Familienrichter*in bestellt den Verfahrensbeistand und bestimmt dabei den Umfang des Auftrages, der – zum Schutze des Kindeswohles auch oder gerade darin bestehen kann – eine gütliche Einigung zwischen den Eltern auf den Weg zu bringen. Ich spreche dann häufig auch mit dem Kindergarten, der Schule, dem Kinderarzt oder Psychologen, ebenso wie dem Jugendamt oder Familienhelfern, wenn diese „im Boot“ sind. Die Erkenntnisse, die ich daraus gewinne, lege ich in einem Bericht dem Gericht vor. Auf der Grundlage des Berichts kann das Gericht seine Entscheidung treffen. Ich erweitere den Blick des Richters*in so zusagen in die Familie hinein. Die Verantwortung ist also groß, wobei bei Unsicherheiten und Unstimmigkeiten immer auch noch psychologische Gutachten oder Einbestellungen durch Richter für den weiteren Erkenntnisgewinn durch das Gericht angeordnet werden können. Mein juristisches Verständnis hilft bei der Ausarbeitung des Berichtes. Schön ist es, wenn ich die Kinder nach der richterlichen Entscheidung weiter begleiten und ihre Familien beraten kann, d.h. ein Vertrauensverhältnis entsteht, welches sich einer weiteren Zusammenarbeit in der Praxis niederschlägt.

„Wohlfühlort Küchentisch“ – lässt sich am Tisch besser sprechen?

Auf jeden Fall!  Wir haben alle das Gefühl, dass der große, runde Tisch die Atmosphäre „entschärft“, da dies kein typisches Therapiesetting ist. Man ist nicht krank, es ist ein Gespräch, das keine Angst macht. Jeder sagt: „Ist das gemütlich hier“. Die Schwellenangst geht dadurch deutlich herunter. Oft sitzen wir lange am Tisch, Gespräche brauchen Zeit.

Hier ist es gemütlich und vertrauenerweckend, das „löst die Zungen“. Trotzdem gehen wir an jedes Anliegen, an jedes Thema natürlich sehr ernsthaft heran.

In Zukunft würden wir gern ein regelmäßiges Forum, eine Art „Runder Tisch“ organisieren, mit regelmäßigen Einladungen in guter Atmosphäre zu Vorträgen, Gesprächen, Arbeitskreisen zu wichtigen Themen, die die Menschen um uns herum betreffen. 

Der „Küchentisch“ – das Herzstück der Praxis

Welches sind die Hauptanliegen – ohne jetzt die Schweigepflicht zu verletzen?

Annabelle Attwell: Viele Schullaufbahnberatungen, Alternativen zum „geraden“ Bildungsweg aufzeigen und neue Möglichkeiten eröffnen. 

Susanne Vorberg: Bei mir bewegt sich viel um Lebenskrisen, oft im beruflichen Umfeld aufgehängt. Dort beginnend schauen wir gemeinsam, wo ein Ungleichgewicht im System des(r)jenigen herrscht, was hinter der beruflichen Krise steckt? Oft können wir den Knoten lösen durch den genauen Blick. Es ist wichtig mit den Klienten neue Perspektiven zu entwickeln. Viel Coaching machen wir mittlerweile auch per Zoom und stellen fest: Es geht! Natürlich fehlt dabei ein Stück des Gesamtbildes. Die Pandemie stellt neue Anforderungen an uns alle. Die Nutzung des Raums, Wahrnehmung von Körpersprache, der Einsatz von Symbolen – all das geht online nicht. 

Bettina Pabsch: Auch mein Fokus liegt auf der Rolle meiner Klienten in ihrem jeweiligen, konfliktbelasteten System! Durch meine therapeutische Ausbildung geht meine Arbeit aber etwas tiefer als ein reines Coaching, das Leid und der Niederschlag, den dieses in z.T. auch körperlichen Symptomen finden spielt eine größere Rolle. Bei körperlichen Befunden ist vorab immer auch eine umfassende ärztliche Diagnostik wichtig; bestimmte Krankheitsbilder müssen klar ausgeschlossen sein bevor ich anfangen kann mit meinen Klienten zu arbeiten.

Haben Sie das Gefühl, dass Corona Ihre Praxis beflügelt/dass der Bedarf größer ist?

Auf jeden Fall! Corona war der Motor in unserer Gründungsphase. Den Weg in die neuen, multimedialen Formate, der durch die Pandemie notwendig wurden, mussten wir allerdings zunächst erst finden! Ganz einfach war das nicht, zwischenmenschliche Begegnung braucht nach wie vor eigentlich echte Nähe!

Wenn ich Ihnen zuhöre, habe ich das Gefühl, es ist eine herausfordernde, aber auch sehr erfüllende Arbeit, die Sie hier machen. Würden Sie mir da zustimmen?

Ja!!! Unsere Arbeit fordert uns emotional und körperlich. Es ist eine anstrengende Arbeit mit bewegenden Themen. Uns erfüllt es sehr, wie Kommunikation, die richtigen Fragen, eine gute Atmosphäre, innere Knoten lösen und Probleme beseitigen können! Manchmal erleben wir, dass es nicht passt, dass die „Chemie nicht stimmt“. Auch das ist normal. Sehr befriedigend sind die vielen Rückmeldungen, wie wertvoll unsere Arbeit ist. Das, was geschehen ist, können nicht ungeschehen machen, aber wir können versuchen, gemeinsam Lösungen und neue Perspektiven zu schaffen. Das tut gut! Im Sinn von „Ich kann nicht ändern, was gewesen ist, aber ab hier kann es besser werden.“ Mitleid hilft nicht, wir müssen ins Handeln kommen! 

Viele Eltern sind dankbar, wenn sie Themen abgeben können. Viele Menschen, die zu uns kommen, sind oft durch ihr Umfeld zementiert und blockiert. Hier schaffen wir neue Wege! Wir eröffnen eine Bühne, auf der man sich außerhalb seines Umfeldes in neuen Rollen ausprobieren kann. Und vor allem: Wir vermitteln Wertschätzung und das Gefühl, wirklich gesehen zu werden!

Der Austausch, die Kommunikation ist das wichtigste! Sich öffnen, darüber sprechen, in Bewegung bleiben, Lösungen finden! 

Gibt es noch etwas Wichtiges zum Schluss?

Positiv und hilfreich für uns ist der ständige Austausch untereinander. Ein stetiger, interner Perspektivwechsel!

Liebe Frau Atwell, liebe Frau Pabsch, liebe Frau Vorberg,

ich danke Ihnen herzlich für Ihre Zeit und für den Einblick, den Sie mir in Ihre Arbeit gewährt haben. Ich glaube, Blankenese ist durch Ihre Praxis reicher geworden. Ich wünsche Ihnen, dass Sie noch vielen Menschen neue Wege und Perspektiven aufzeigen können – gerade nach diesen schwierigen zwei Jahren.

Perspektivwechsel, Friedrich-Legahn-Str. 2, 22587 Hamburg T: 040 66 90 93 09

mail@perspektivwechsel-elbvororte.de

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