„Schule läuft dann richtig, wenn viel gelernt wird und alle Freude daran haben“

Mit Michael Koops hat das Gymnasium Blankenese im August als kommisarischer Schulleiter übernommen. Wer seinen Namen googelt, findet schnell heraus, dass der „Neue“ im Dorf einen beeindruckenden beruflichen Werdegang hat und nach Jahren als Schulleiter in Lohbrügge den „Sprung“ über den großen Teich ins Silicon Valley wagte. Zurück in Hamburg arbeitete er im Hammerbrooklyn-Digital.Campus. Vera Klischan traf sich für blankenese.de zum ausführlichen Interview mit ihm

Vom Silicon Valley nach Blankenese! Wie fühlt sich das an?

Ich komme nicht direkt aus dem Silicon Valley, sondern aus einem innovativen Projekt am Hammerbrooklyn-DigitalCampus. Dieser Campus ist wie das Silicon Valley ein Thinktank, also eine Denkfabrik, und dem Silicon Valley in vielen Aspekten ähnlich. Beim Silicon Valley denken viele nur an Technik. Ich denke eher an den Spirit dort, die offene positive Haltung, die Freude, Dinge auszuprobieren. Das deutsche Wort „Problem“ gibt es nicht. Es herrscht dort viel positive Energie. Über die Eltern wird diese Haltung in die Schule transportiert. Freitags um 17 Uhr habe ich dort z. B. mit Schülerinnen und Schülern einen YouTube-Channel betrieben und einen Entrepreneurs-Club ins Leben gerufen – auch ein Vater war dabei und hat aktiv unterstützt. Zum Auftakt unserer Aktivitäten haben wir einen Design-Thinking-Workshop veranstaltet – mit Eltern, Schülerinnen und Schülern, die jüngsten Teilnehmer stammten übrigens aus der 7. Klasse. Höhepunkt des Entrepeneurs-Clubs war die „Höhle der Löwen“ vor der Schulgemeinschaft.

Michael Koops, SL Gymnasium Blankenese ©privat

Wie sah ihr bisheriges berufliches Leben aus? 

Ich habe die Fächer Deutsch und Biologie auf Lehramt und zusätzlich Journalistik studiert. Während des Studiums war ich durchgehend im journalistischen Bereich tätig – im Verlag, beim Radio und in der Wirtschaft. Diese Kombination aus Lehramt und Journalismus erschließt sich vermutlich nicht gleich, ich finde sie jedoch naheliegend – geht es doch in beiden Berufen um das Aufbereiten von komplexeren Sachverhalten für die Adressaten. Statt in den Journalismus ging mein Weg dann aber doch in die Schule. Die Freude am Schreiben habe ich aber weiterhin genutzt, z. B. um für Schülerinnen und Schüler ein Buch zur Abiturvorbereitung in „Verhaltensbiologie“ zu schreiben. 

Nach dem Referendariat bin ich früh stellvertretender Schulleiter am Gymnasium Heidberg und dann bereits wenige Jahre später Schulleiter am Gymnasium Lohbrügge in Bergedorf geworden – ein großes, bilinguales Gymnasium, das damals gerade in den 5-jährigem Schulversuch „d.18“ – selbstverantwortete Schule“ aufgenommen worden war. Ich fand diese Gelegenheit, Schule in einem Netzwerk mit 18 Schulen aller Schulformen aktiv weiterzuentwickeln, großartig und für mich sehr lehrreich. 
Nach 10 Jahren in Bergedorf bin ich dann befristet in den Auslandsschuldienst ins Silicon Valley gegangen als Leiter der German International School of Silicon Valley in Kalifornien. Woher kam diese Idee? Gegen Ende meines Studiums war ich als Fremdsprachenassistent an zwei Schulen in London tätig – eine Zeit, die ich sehr genossen und als horizonterweiternd erlebt habe. 

Aber wieder zurück: Nach meiner Tätigkeit an der German International School im Silicon Valley, die drei voneinander entfernte Standorte umfasste (in Mountain View, in der East Bay und in San Francisco), war ich natürlich voller Ideen und ergriff die Chance, aufgrund von vorübergehenden Bedarfen zunächst in verschiedene Dienststellen der Hamburger Schulbehörde hineinzuschauen und mit meiner Expertise auszuhelfen. In dieser Zeit bekam ich über die Wirtschaftsbehörde das Angebot, am Hammerbrooklyn-Digital.Campus ein innovatives Projekt für junge Menschen konzeptionell zu entwickeln und zu realisieren – das Hammerbrooklyn Youth Innovation Center.

Können Sie uns die Arbeit am Hammerbrooklyn-Digital.Campus näher beschreiben?

Der Hammerbrooklyn-Digital.Campus ist ein Thinktank für die Zukunft der Stadt vor dem Hintergrund der digitalen Transformation. Viele innovativ denkende Menschen kommen dort zusammen und finden gemeinsam Lösungen, um so die Zukunft zu gestalten. Zu Beginn fehlten aber die jungen Menschen – mit dem Hammerbrooklyn Youth Innovation Center änderte sich das. Worum geht es dort? Anders als z. B. einer Volkshochschule mit einem festen Programm entstehen innovative Projekte agil und schnell mit den Beteiligten. Dabei gibt es drei Arbeitsbereichen, soll ich die näher erläutern?

Aber sehr gerne, das sind spannende Inhalte, die für viele uns uns Neuland sind!

Der erste Bereich bietet jungen Menschen an, spielerisch etwas Neues kennen zu lernen, daraus zu lernen und ihr eigenen Potenzial zu entdecken. Mit 360-Grad-Kameras haben wir z. B. einen Storytelling-Workshop durchgeführt, in einem anderen Workshop mit Künstlicher Intelligenz (KI) zur Gesichtserkennung gearbeitet und in einem anderen Workshop dann Drohnen aus Einzelbestandteilen zusammengebaut, diese programmiert und schließlich mit Hilfestellung von Profis geflogen. Die jüngste Teilnehmerin war in der 4. Klasse.
In dem zweiten Arbeitsbereich werden junge Menschen selbst zu Produzenten – sie produzieren Podcasts oder entwickeln neue Produkte wie z. B. ein innovatives Getränk zusammen mit fritzkola.
Der dritte Schwerpunkt bietet jungen Menschen an, selbst aktiv zu testen und zu beraten. Am Landesinstitut für Lehreraus- und -fortbildung haben Schülerinnen und Schüler z. B. bei der Entwicklung eines Unterrichtsraums der Zukunft mitgewirkt. In einem anderen Workshop haben sie Lösungsvorschläge für die Mobilität der Zukunft entwickelt.

Sie hatten eine sehr interessante Aufgabe am Hammerbrooklyn-DigitalCampus. Welche Motivation gab es für Blankenese?

Ich wurde kurzfristig gefragt, das Gymnasium Blankenese kommissarisch zu übernehmen – und ich finde es selbstverständlich, in einer solchen Situation zu helfen. Eine starke Motivation waren auch die engagierte freundlich-zugewandte Schulgemeinschaft, die sich auf innovative Vorhaben einlässt. Ein aktuelles Beispiel an unserer Schule ist das „Hublings-Projekt“, ein Pilotprojekt der Schulbehörde zusammen mit Learnlife, an dem nur zwölf Hamburger Schulen teilnehmen konnten – und das Gymnasium Blankenese ist eine davon. In diesem Projekt geht darum, wie neu gestaltete Lernräume das Lernen verändern.  
Für das Hammerbrooklyn Youth Innovation Center bin ich übrigens weiterhin verantwortlich, wir wollen die Aufgaben nur jetzt auf mehr Schultern verteilen und das Projekt vergrößeren. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es durch meine beiden Aufgabenfelder eine Reihe von Synergieeffekten geben wird. Wer weiß warum, vielleicht hat es seine Gründe, dass ich jetzt hier an dieser Schule bin?

Als Schulleiter hat man vielfältige Aufgaben – Finanzverwalter, Personalchef, Organisator, Pädagoge, Vermittler zwischen den „Fronten“ und manchmal sogar Seelsorger? Wofür schlägt ihr Herz besonders?

Mein Herz schlägt für ein Ökosystem, in dem sich Menschen und „Dinge“ entfalten können.  Es geht darum, Freude und Begeisterung am Lernen zu entwickeln und zu fördern. Schule läuft dann richtig, wenn viel gelernt wird und alle Freude daran haben. Neues zu entdecken, ist – finde ich – das Großartigste. Der Schulleiter ist ein Katalysator. Ich ermögliche Dinge. 

Was ist eine spezifische Aufgabe hier in Blankenese? Was macht diesen Stadtteil aus?

Es ist eine große Chance mit diesem Kollegium, der Elternschaft und den Schülern und Schülerinnen schnell Dinge mutig auf den Weg zu bringen. Viele Ideen werden mit Freude und Begeisterung aufgenommen. Ich höre hier nicht „Das geht nicht!“. Im Gegenteil: Mein Elternrat hat selbst ein innovatives Format für unsere Elternratssitzungen vorgeschlagen. Diese Chance gilt es zu ergreifen und für unsere Schule zu nutzen – ich bin überzeugt, dass wir dann gemeinsam Antworten darauf finden, wie die Bildung der Zukunft erfolgreich gestaltet werden kann.

Corona hat bei vielen Schülern und Schülerinnen Narben hinterlassen. Wie werden Sie mit Ihrem Kollegium diese Zeit aufarbeiten. Oder gibt es ein „weiter so“?

Wir haben viel für das soziale Miteinander unternommen – viele Fahrten und Exkursionen in der Gemeinschaft unternommen! Alle hatten das Gefühl, jetzt endlich wieder etwas miteinander unternehmen zu müssen – und unsere Eltern haben das trotz der Herausforderungen in der Corona-Situation sehr unterstützt. Es war schön zu sehen, wie die Schulgemeinschaft hier an einem Strang gezogen hat. Ich denke, dass wir so auch die weiteren Herausforderungen gemeinsam gut werden bewältigen können.

Gibt es etwas, was Sie aus den USA mitgenommen haben aus pädagogischer Sicht?

Jedes Mal, wenn jemand das Wort „Problem“ ausspricht, spüre ich nach wie vor Unwohlsein. Und das gilt um so mehr auch für pädagogische Kontexte: Es ist wichtig, nicht in Lerndefiziten, sondern in Lernchancen zu denken. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler etwas nicht kann, scheint mir die richtige Formulierung diese zu sein: „Das kann er/sie NOCH nicht!“ – und nicht: „Er/Sie hat ein Problem…“ Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass die eine Haltung Wege öffnet, die andere sehr leicht „Probleme zementiert“. Und wir möchten unseren jungen Menschen Türen und Wege eröffnen, nicht sie schließen.

Zum Schluss, lieber Herr Koops, die Frage: „Bleiben Sie?“

…..wir werden sehen!

Lieber Herr Koops, ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Zeit und vor allem für den Einblick in Ihr spannendes Leben. Sie ahnen vielleicht, dass viele Menschen in Blankenese sich auf die letzte Frage demnächst eine andere Antwort wünschen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und berufliche Erfüllung an der altehrwürdigen Schule.

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