Buchhandlung Wassermann?
Aus der traditionsreichen Buchhandlung Kortes wird Buchhandlung Wassermann. Der Name geht zurück auf den Gründer der Buchhandlung und passt hervorragend zum Elbdorf Blankenese. Vera Klischan sprache mit Pascal Mathéus und Florian Wernicke, die das Ladengeschäft im Oktober 2022 übernommen haben, über die Gründe für die Umbenennung.
Herr Mathéus, Herr Wernicke, Sie benennen Ihre Buchhandlung um. Was hat Sie überhaupt zu der umfangreichen Recherche bewegt?
Wer eine Buchhandlung kauft, möchte sich mit ihr identifizieren können. Deshalb war es uns ein Herzensanliegen, die lange Geschichte des Hauses zu verstehen. Wir haben einen Ordner mit historischen Dokumenten von Frau Klose übernommen. Die Überlieferung begann dort aber erst 1945, also nachdem Alfred Kortes aus Templin nach Blankenese gekommen war. Was in den Jahren von 1921, dem überlieferten Gründungsdatum der Buchhandlung, und 1945 geschehen ist, wollten wir gerne wissen. Bei ersten Recherchen im Netz tauchte auf einmal der Name Gottfried Kortes auf. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Alfreds Vater, der diesem die Buchhandlung 1921 übergeben hatte.
Wie ging die Recherche weiter?
Eine großangelegte Spurensuche begann. Wir haben Archivmaterial aus Hamburg, Templin, Berlin, Potsdam und Leipzig gesichtet, bis sich ein stimmiges Bild ergab. Die Buchhandlung wurde bereits 1848 von Friedrich Wassermann in Templin gegründet. Dessen Schwiegertochter Hedwig Wassermann verkaufte die Buchhandlung an Gottfried Kortes, den Vater von Alfred Kortes. Sie übergab das Geschäft zusammen mit der Zeitung „Templiner Kreisblatt“. Mit Alfred Kortes, der das Geschäft und die Zeitung 1921 von seinem Vater übernahm, begann ein dunkles Kapitel der Buchhandlung. Er trat 1933 in die NSDAP ein. Wir fanden ein Foto, auf dem er in der Uniform der deutschen Jägerschaft neben Nazigrößen posiert. Seine Zeitung titelte 1938 „Wohin mit den Juden?“. Eine Liste der in der Buchhandlung angebotenen Literatur enthielt eindeutige nationalsozialistische Bücher.
Diese Traditionslinie lehnen wir entschieden ab und möchten deshalb, dass die Buchhandlung in Zukunft den Namen ihres Gründers Wassermann trägt.
Ihre Buchhandlung ist mit der Umbenennung zur ältesten Buchhandlung Hamburgs geworden!
Das ist in der Tat ein Nebeneffekt der historischen Recherche. Auch wenn die Buchhandlung nicht immer in Hamburg gewesen ist, sind wir durch die neuen Erkenntnisse die am längsten bestehende Buchhandlung der Stadt.
Glauben Sie, dass die Umbenennung auch Kritik hervorrufen könnte?
Bis jetzt sind die Reaktionen sehr positiv. Wir bekommen Glückwünsche von vielen Kunden, Schrifsteller*innen und Verlagen. Auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat uns seine Unterstützung signalisiert. Aber es gab auch schon ein paar kritische Stimmen. Wir werden viel informieren und unsere Buchhandlung in einer Veranstaltung mit Karin Prien, Peter Kraus vom Cleff, dem Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Jan Kurz vom Förderverein historisches Blankenese und einem weiteren Gast im Herbst umbenennen.
Lieber Herr Mathéus, lieber Herr Wernicke, ich danke Ihnen herzlich für ihre Zeit.
Um die Gründe für die Umbenennung ausführlich zu erklären und die Rechercheergebnisse zu präsentieren, wenden sich Pascal Mathéus und Florian Wernicke in einem persönlichen Brief an die Leserinnen und Leser von blankenese.de
Liebe Leserinnen und Leser,
die Buchhandlung Kortes in Blankenese feierte 2021 ihr 100-jähriges Bestehen. Nun, zwei Jahre später, feiern wir das 175. Jubiläum. Wie kann das sein?
Der 1. April 1921, der auf der Urkunde der Handelskammer Hamburg zum 100. Geburtstag als Gründungsdatum angegeben wird, ist tatsächlich der Tag, an dem Alfred Kortes die Buchhandlung in Templin in Brandenburg übernahm. Davor führte jedoch sein Vater Gottfried Kortes das Geschäft, der die Buchhandlung seinerseits 1889 von der Familie Wassermann übernahm. Friedrich Wassermann gründete die Buchhandlung bereits 1848 in Templin. Unsere Buchhandlung ist damit Hamburgs älteste Buchhandlung.
Die Kenntnis von dieser langen Geschichte des Betriebs ging jedoch verloren, nachdem Alfred Kortes 1945 von Templin nach Blankenese floh, um das Geschäft dort weiterzuführen.
Was außerdem bisher unbekannt war, ist Kortes’ Rolle in der NS-Zeit. Wie unsere Recherchen ergaben, war Kortes von 1933 bis 1945 Mitglied der NSDAP. 1933 war er zudem kurzzeitig Mitglied der SA, außerdem füllte er seit 1933 einige Ämter in Templin aus – teilweise in direkter Zusammenarbeit mit den örtlichen Nazianführern.
Als Zeitungsverleger trug er wie alle weiterhin erscheinenden Organe die politische Richtung der NSDAP mit. Auffällig früh (bereits im April 1933) warb er für die „Zeitgemäße Literatur“, womit NS-Literatur gemeint war, spätestens 1934 hatte die Buchhandlung bereits eine eigene Abteilung NS-Literatur. Zudem war die Buchhandlung seit 1933 Ausgabestelle für Karten zu den Veranstaltungen von Partei und SS.
Da wir nicht für diese Tradition stehen möchten, legen wir den Namen Kortes ab und führen das Geschäft unter seinem ursprünglichen Namen Buchhandlung Wassermann fort.
Das Gründungsjahr unserer Buchhandlung 1848 steht für den Aufbruch von Demokratie und Freiheit. Dieser Tradition fühlen wir uns verbunden, in dieser Tradition möchten wir unseren Beitrag zu einer offenen, demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft leisten, indem wir das literarische und politische Gespräch über Bücher in unserem Geschäft und auf unseren Veranstaltungen führen.
Die Umbenennung der Buchhandlung wird von einem Veranstaltungsprogramm begleitet. Im Herbst dieses Jahres wird es eine Podiumsdiskussion zum Thema Die Rolle der Literatur und des Buchhandels im NS-Staat und in der offenen Gesellschaft geben, an der u.a. die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien und Pascal Mathéus teilnehmen werden. Die Moderation übernimmt Jan Kurz vom Förderkreis historisches Blankenese. Näheres zum Veranstaltungsprogramm folgt in Kürze.
sehr gute Entscheidung ! Herzlichen Glückwunsch, auch herzlichen Glückwunsch für den sehr interessanten Tag am Sonntag, den 8.9. im Gemeindehaus Blankenese.
Wissen Sie wie teuer das kleine Buch von José F.A. Oliver „In jedem Fluß mündet ein Meer“ ist ?
Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag !
Mfg
Roswitha Schulte
Wir haben nachgesehen: Das Buch von José F.A. Oliver
„In jedem Fluß mündet ein Meer“
kostet 22 Euro.