3. Advent: Gibt es einen Weihnachtsmann?

Die dritte Kerze wird nun entzündet, die zweite Halbzeit der Vorweihnachtszeit eingeläutet. Die ehrenamtlichen Bürgerredakteure von blankenese.de stellen an jedem der vier Adventssonntage einen persönlichen Beitrag zur Einstimmung auf das Weihnachtsfest auf diese Seite. Leopold Wieland empfiehlt als besinnliche Lektüre die über 120 Jahre als Geschichte über eine der ganz zentralen Fragen des Weihnachtsfestes: Gibt es den Weihnachtmann?

Der Adventskranz hat seinen Ursprung in Hamburg. Ob klassische Schleifen, kindliche Mäuse oder opulente Kugeln – erlaubt ist, was gefällt © svb

Mein liebste Adventsgeschichte kommt aus einer Zeitung. An dieser über 120 Jahre alten Story fasziniert mich immer wieder: Die Offenheit des Autors, die Herzensangelegenheit eines Kindes von Herzen ernst zu nehmen. Womit der Verfasser des folgenden Artikels nicht nur den Glauben und die Hoffnung jenes Kindes stärkt, sondern den Glauben und die Hoffnung von vielen, die seinen Text lesen. Und das sogar noch heute! „Gibt es einen Weihnachtsmann?“ (im englischen Original “Is There a Santa Claus?”) hieß die Überschrift zu einem Leitartikel der in der Ausgabe vom 21. September 1897 der Zeitung New York Sun erschien und der noch heute, Jahr für Jahr, wieder von neuer Aktualität ist.

Eins ist sicher: In dieser schokoladigen Form gibt es Tausende von Weihnachtsmännern

Gibt es einen Weihnachtsmann?

Es war im Jahre 1897 im New Yorker Stadtbezirk Manhattan. Dort lebte Philip O’Hanlon. Er war Assistent eines Untersuchungsrichters in der Upper West Side. Philip O’Hanlon hatte eine Tochter. Sie hieß Virginia und war acht Jahre alt. Ihre Freunde hatten Virginia in jenem Herbst arg ins Zweifeln gebracht? „Gibt es einen Weihnachtmann?“ fragte Virginia O’Hanlon ihren Vater ratlos. Ihre Freunde hatten nämlich behauptet, es gebe keinen Weihnachtsmann.

Vater O’Hanlon fand keine zufriedenstellende Antwort. Also wendete sich Virginia mit einem Leserbrief an die „New York Sun“. In ihrer Ausgabe vom 21. September 1897 antwortete die Zeitung mit einem Leitartikel von Francis P. Church. Dieser Redakteur hatte einst als Korrespondent im Amerikanischen Bürgerkrieg viel Elend und Hoffnungslosigkeit hautnah gesehen hatte. Nun beantwortete er Virginia O’Hanlons Brief an die „New York Sun“ so:

Mit Freude beantworten wir sofort und damit auf herausragende Weise die folgende Mitteilung und geben gleichzeitig unserer großen Freude Ausdruck, dass ihre gewissenhafte Autorin zu den Freunden der Sun zählt:

Lieber Redakteur ­ Ich bin 8 Jahre alt.

Einige meiner kleinen Freunde sagen, dass es keinen Weihnachtsmann gibt.

Papa sagt: „Wenn du es in der Sun siehst, ist es so.“

Bitte sagen Sie mir die Wahrheit: Gibt es einen Weihnachtsmann?

Virginia O’Hanlon

115 West Ninety-fifth Street

Virginia, deine kleinen Freunde haben unrecht. Sie sind beeinflusst von der Skepsis eines skeptischen Zeitalters. Sie glauben an nichts, das sie nicht sehen. Sie glauben, dass nichts sein kann, was ihr kleiner Verstand nicht fassen kann. Der Verstand, Virginia, sei er nun von Erwachsenen oder Kindern, ist immer klein. In diesem unserem großen Universum ist der Mensch vom Intellekt her ein bloßes Insekt, eine Ameise, verglichen mit der grenzenlosen Welt über ihm, gemessen an der Intelligenz, die zum Begreifen der Gesamtheit von Wahrheit und Wissen fähig ist.

Ja, Virginia, es gibt einen Weihnachtsmann. Er existiert so zweifellos wie Liebe und Großzügigkeit und Zuneigung bestehen, und du weißt, dass sie reichlich vorhanden sind und deinem Leben seine höchste Schönheit und Freude geben. O weh! Wie öde wäre die Welt, wenn es keinen Weihnachtsmann gäbe. Sie wäre so öde, als wenn es dort keine Virginias gäbe. Es gäbe dann keinen kindlichen Glauben, keine Poesie, keine Romantik, die diese Existenz erträglich machen. Wir hätten keine Freude außer durch die Sinne und den Anblick. Das ewige Licht, mit dem die Kindheit die Welt erfüllt, wäre ausgelöscht.

Nicht an den Weihnachtsmann glauben! Du könntest ebenso gut nicht an Elfen glauben! Du könntest deinen Papa veranlassen, Menschen anzustellen, die am Weihnachtsabend auf alle Kamine aufpassen, um den Weihnachtsmann zu fangen; aber selbst wenn sie den Weihnachtsmann nicht herunterkommen sähen, was würde das beweisen? Niemand sieht den Weihnachtsmann, aber das ist kein Zeichen dafür, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Die wirklichsten Dinge in der Welt sind jene, die weder Kinder noch Erwachsene sehen können. Sahst du jemals Elfen auf dem Rasen tanzen? Selbstverständlich nicht, aber das ist kein Beweis dafür, dass sie nicht dort sind. Niemand kann die ungesehenen und unsichtbaren Wunder der Welt begreifen oder sie sich vorstellen.

Du kannst die Babyrassel auseinanderreißen und nachsehen, was darin die Geräusche erzeugt; aber die unsichtbare Welt ist von einem Schleier bedeckt, den nicht der stärkste Mann, noch nicht einmal die gemeinsame Stärke aller stärksten Männer aller Zeiten, auseinanderreißen könnte. Nur Glaube, Phantasie, Poesie, Liebe, Romantik können diesen Vorhang beiseiteschieben und die übernatürliche Schönheit und den Glanz dahinter betrachten und beschreiben. Ist das alles wahr? Ach, Virginia, in der ganzen Welt ist nichts sonst wahrer und beständiger.

Kein Weihnachtsmann! Gott sei Dank! Er lebt, und er lebt auf ewig. Noch in tausend Jahren, Virginia, nein, noch in zehnmal zehntausend Jahren wird er fortfahren, das Herz der Kindheit zu erfreuen.

Die New York Sun widmete der Frage
nach der Existenz des Weihnachtmannes
vor 120 Jahren einen langen Artikel

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